In unserer Rubrik STIL/LEBEN stellen wir Ihnen Deutsche mit – Sie ahnen es – viel Stil vor. In dieser Folge: ANNE PETERSEN, Redaktionsleiterin des unfassbar mondänen SALON Magazins. Geboren 1974, leitet die Mutter von vier Kindern seit 2014 das Magazin, das für uns zu einem der besten Lifestyle-Prints des Landes gehört. 2020 hat ANNE PETERSEN mit “LEGENDÄRE DINNER”im PRESTEL-VERLAG ihr erstes Buch veröffentlicht – ein Kochbuch, das legendäre Tischgesellschaften feiert.
HAUS GLANZ: Du bist Redaktionsleiterin eines der schönsten Magazine Deutschlands – wie viel steckt von Dir in diesem Magazin?
ANNE PETERSEN: Guten Zeitschriften sollte man immer eine Handschrift ansehen. Von daher würde ich sagen: Natürlich steckt sehr viel von mir in SALON. Das liegt auch daran, dass wir das Magazin mit nur sehr wenigen Menschen, aber mit sehr viel Herzblut machen. Wir sind ein Kreis von magazinversessenen Journalisten, Grafikern und Fotografen. Menschen, die sich brennend für all das interessieren, was wir im Heft zeigen.
HG: Wie ist Dein stilistischer und beruflicher Werdegang?
AP: Ich bin an der dänischen Grenze auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, in einem Haus, das 1779 erbaut wurde. Schönes Porzellan, alte Möbel, Natur, ein Park, aber auch ein Gemüsegarten, Pferde, große Landmaschinen, das ganze Programm. Das hat mich sicherlich auch geprägt. Gleichzeitig habe ich mich aber schon als Teenager für alles Visuelle und für Zeitschriften und Fotografie interessiert.
Ich habe dann in München und Paris studiert, war auf der Deutschen Journalistenschule und meinen ersten Job hatte ich im Stil-Ressort der „Welt am Sonntag“ in Berlin. Anschließend ging ich zu Gruner + Jahr nach Hamburg und habe dann einige Jahre bei der BRIGITTE gearbeitet, zum Schluss als Fashion-Director. 2014 haben THOMAS NIEDERSTE-WERBECK und ich das SALON Magazin entwickelt. Ich hatte beruflich also immer mit Lifestyle zu tun und das schult auch das Auge. Als Moderedakteurin bin ich viel auf die internationalen Schauen gefahren und das prägt dann auch den Stil.
HG: Beschreibe Deinen Stil?
AP: Ich kleide mich gern weiblich und elegant und habe eine Schwäche für auffällige Ohrringe. Im Sweatshirt wird man mich nicht antreffen. Im Interieur mische ich gern Altes und Neues. Antiquitäten bringen immer die nötige Wärme in ein Haus, neue Stücke machen den Look zeitgemäß. Ich schwärme für bunte Dekorationsstoffe, Tapeten und farbige Wände.
ANNE PETERSEN
HG: Nenne bitte drei Gegenstände/Orte/Kunstwerke o.ä., die exemplarisch für Deinen Stil stehen?
AP: Ich liebe die wunderschönen Räume der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen; sie ist der Münchener Glyptothek nachempfunden. Dort werden antike Skulpturen als auch moderne Skulpturen von Auguste Rodin und Edgar Degas gezeigt. Ein wahnsinnig romantischer Ort! Der Henning-Koppel-Krug von Georg Jensen aus Edelstahl ist für mich das perfekte Beispiel für eine vollkommen gelungene Form: schlicht und harmonisch. Wunderbar als Wasserkaraffe auf dem Tisch. Ein Künstler, den ich sehr bewundere, ist Hormazd Narielwalla aus London. Er koloriert alte Schnittmuster und schafft so kaleidoskopartige Bilder in den schönsten Farbharmonien. Was mir daran gefällt: Seine Kunst wurzelt in einer Tradition, er lässt aber etwas unerhört Neues entstehen.
HG: Und was sind Deine deutschen Top-Designtipps?
AP: Ich liebe die Taschen von Julia Rieth und Detlef Stiebich aus Hamburg. Sie sind handgenäht aus wunderbarem Leder, das sehr gut altert. Zugegebenermaßen ein Investment, aber es lohnt sich. (STIEBICH & RIETH finden Sie bei und hier.) Die Notizbücher von PRANTL aus München erinnern mich immer an die Cover von SALON, weil es sie auch in den schönsten Farbkombinationen gibt. Ein tolles Geschenk, wenn man jemanden einen „Kleinigkeit aus Deutschland“ mitbringen möchte. Sehr gespannt war ich auf die mundgeblasenen Gläser der neuen Marke JOSEPHINENHÜTTE aus Berlin. Kreativer Kopf dahinter ist KURT JOSEF ZALTO, einer der bekanntesten Glasdesigner der Gegenwart. Das Universalglas Josephine No 2 ist ein super Allrounder für jede Gelegenheit. Und dann noch eine Hamburgerin, die ich empfehlen möchte: MARJANA VON BERLEPSCH macht einfach wunderbaren Schmuck. Ihr Design ist immer außergewöhnlich, frei nach dem Motto: Viel zu viel ist immer besser als viel zu wenig. So sehe ich das bei Ohrringen auch!
HG: Wer ist Deine Stilikone?
AP: Nancy "Slim" Keith war eine der bestangezogenen Frauen im New York der 1950er und 1960er Jahre (und die Geliebte von Clark Gable und Ernest Hemingway). Ich bewundere ihren klassischen zeitlosen Look, der immer unangestrengt wirkte, aber natürlich wohlkalkuliert war. Ihre perfekt geschnittenen Kleider, weite Bundfaltenhosen, einfarbige Kostüme könnte man bis heute genauso anziehen.
HG: Du hast vier Kinder, wie versuchst Du ihren Schöngeist zu schulen?
AP: Kinder lieben Schönheit und Harmonie, und nehmen viel davon unbewusst auf. Bis zu einem gewissen Alter lassen sie sich ja auch vorschreiben, was sie anziehen sollen. Das hat mir natürlich immer sehr großen Spaß gemacht – wobei ich selbst meine kleinste Tochter jetzt nicht mehr dazu überreden kann, mit Kleid im Bullerbü-Stil in die Grundschule zu gehen. Jeans ist natürlich cooler. Ich glaube, jedes Kind ist individuell und wird sich aus seiner Umgebung das heraussuchen, was zu ihm passt.
HG: Findest Du, die Deutschen haben Stil?
AP: Ich beobachte, dass sich sehr guter Stil heute eigentlich nicht unbedingt einer bestimmten Nation zuordnen lässt. Es hat sich ein internationaler Standard etabliert, der sich (glücklicherweise) eigentlich nicht verorten lässt. Wunderbare Einrichtungen oder toll angezogene Menschen findet man überall, genauso wie ihr Gegenteil.
ANNE PETERSEN
HG: Ist Stil eine Frage des Geldes?
AP: Diese Frage wird ja gern mit „nein“ beantwortet. In gewisser Hinsicht stimmt es natürlich auch. Stil ist eine Frage des Geschmacks, des Auges, des Willens. Sich schön anziehen oder einrichten kann man mit jedem Geldbeutel. Aber ein gefülltes Portemonnaie erleichtert die Sache natürlich ungemein. Ich zumindest wüßte ziemlich genau, was ich mir alles noch anschaffen würde, wenn Geld keine Rolle spielen würde.
HG: Hältst Du Stil für ein Talent? Wenn ja, wie ist die Wertschätzung für diese Gabe in Deutschland?
AP: Wir Deutschen sind etwas nüchterner als viele unserer europäischen Nachbarn. Ein gutes Stilempfinden ist aber auch bei uns ein Talent, das geschätzt, bewundert und ja, vielleicht sogar gebraucht wird, auch wenn wir uns nicht so überschwänglich einrichten wie die Engländer oder so gut anziehen wie die Italiener. Für mich ist auch die steigende Auflage von SALON ein Beweis dafür, dass es in Deutschland eine ganze Menge Stil-Enthusiasten gibt.
HG: Wo lässt Du Dich selbst gehen? Was sind Deine guilty pleasures?
AP: Zur Zeit im Homeoffice vom Gürtel an abwärts: Cordhose mit Gummizug, Wollsocken und Birkenstocks.
HG: Liebe Anne, vielen Dank für das Gespräch. Es hat uns sehr gefreut, Dich in unserem HAUS begrüßen zu dürfen.