STIL/LEBEN: WOLFRAM NEUGEBAUER.
Wolfram Neugebauer ist für uns – und das können wir jetzt sagen, ohne rot zu werden – einer der stilvollsten Männer des Landes. Der Hamburger ist ein geschmacksicheres Wunderkind mit eigenem Label, eigenem Store, eigener Agentur und Vielem mehr. Wie kein anderer beherrscht er die Klaviatur der gedeckten Farben und des Minimal-Eklektischen. Wir freuen uns sehr, den charmanten Ästheten in unserem HAUS begrüßen zu dürfen.
Wolfram Neugebauer
HAUS GLANZ: Wie ist Dein stilistischer und beruflicher Werdegang? Wann hast Du die Leidenschaft für schöne Dinge entdeckt?
WOLFRAM NEUGEBAUER: Ich habe eine klassische Ausbildung als Dekorateur in einem Modehaus absolviert. Danach habe ich ziemlich schnell Verantwortung für die Gestaltung der Fenster im Haus Breuninger bekommen und Schulungen für Lehrlinge in diesem Bereich gegeben. Anschließend kam ich nach Hamburg und habe für Wolfgang JOOP! gearbeitet. Ein paar Jahre später entschied ich mich dann aber, mich als Set- und Interior-Stylist selbstständig zu machen. Ich hatte immer das Glück, mit tollen Kunden wie Hermès oder Karl Lagerfeld arbeiten zu dürfen. In meinem kleinen Concept Store in Hamburg namens DIE REMISE verkaufe ich sehr kuratiert schöne Dinge aus aller Welt. 2019 gründeten mein langjähriger Freund Michael Ungerer und ich dann das Label MW STUDIO BERLIN/HAMBURG für Möbel und Home-Accessoires, die unter anderem vom Bauhaus inspiriert sind. 2020 kam noch eine weitere Geschäftsidee dazu: Zusammen mit meiner Freundin Rike Kaufmann gründete ich das Label ÄSTHET, Studio für Stil.
HG: Beschreibe Deinen Stil.
WN: Mein Stil ist über die Jahre gewachsen. Ich liebe Dinge, die eine Geschichte haben. Dadurch bekommen sie eine Seele.
HG: Gibt es etwas Deutsches in deinem Stil?
WN: Ich bin mit Biedermeier-Möbeln aufgewachsen,unser Tisch zuhause wurde mit Porzellan von KPM eingedeckt. Das ist etwas, das mich heute noch begleitet. Ich würde sagen, dass diese Tradition und diese Familienerbstücke bei mir so die Nuance eines deutschen Stiles ausmachen, den ich an meine Kinder weitergeben werde.
HG: Hast Du Angst vor Farbe? Was fasziniert Dich an den neutralen Tönen?
WN: Wenn ich von einem Kunden für ein Projekt als Set-Designer und Interior-Stylist gebucht wurde, spielt Farbe eine große Rolle. Ich bin dann wie ein Schauspieler, der in andere Welten taucht. Ein Tanz der Farben sozusagen. Privat liebe ich eine Welt in Schwarz, Natur und Weiss. Das verschafft mir ein Gefühl von Ruhe und Klarheit.
HG: Wie siehst Du die Stil-Lage der Nation? Wie wohnt und lebt der Deutsche?
WN: Das ist eine sehr schwierige Frage. Weil Stil einfach Geschmackssache ist. Jeder soll sich in seiner Welt wohlfühlen. Dabei sollten aber Dinge oder Möbel integriert sein, die eine Seele haben. Sonst wirkt der Raum oder das Zuhause kalt.
HG: Was sind Deine drei Top-Tipps, um für ein schönes Interieur zu sorgen?
WN: Auch hier wieder: Es sollten Dinge mit persönlicher Geschichte sein. Von einem Lieblingsort, einer Reise, einer Liebe oder einem Traum. Ein Zuhause muss über die Jahre wachsen. Ein Bild z.B. kann man nicht kaufen, man muss es finden.
HG: Ist Stil eine Frage des Geldes?
WN: Nein.
HG: Hältst Du Stil für ein Talent? Wenn ja, wie ist die Wertschätzung für diese Gabe in Deutschland?
WN: Stil ist definitiv mit Talent verbunden. Es ist ein Geschenk, wenn Dein Auge Dinge sieht, die andere nicht wahrnehmen. Ich glaube, die meisten Menschen hier sind sich der deutschen Kultur nicht bewusst. Andere Länder pflegen und verehren ihr Kulturgut und messen ihm viel mehr Bedeutung bei.
HG: Nenne uns bitte drei Gegenstände/Orte/Kunstwerke o.ä. die exemplarisch für Deinen Stil stehen?
WN: Maison Louis Carré von Alvar Aalto in Frankreich. Atelier Brancusi in Paris. Die Villa Müller von Adolf Loos in Prag.
HG: Wer ist Deine Stilikone?
WN: Mein Freund Michael Ungerer. Jil Sander. Das Model Lee Miller, in Verbindung mit traumhaften Kleidern. Und der Fotograf und Künstler Edward Steichen in seiner Bildsprache.
"Ich bin dann wie ein Schauspieler, der in andere Welten taucht. "
Wolfram Neugebauer
HG: Wann und wie hast Du gemerkt, dass Du Geschmack hast? Du hast mir erzählt, Du bist im Schwarzwald aufgewachsen, gibt es da eine Anekdote?
WN: Ich war immer schon anders angezogen als die Kinder in meiner Klasse. In meinem Kinderzimmer baute ich mir damals schon meine Welten. Ich sammelte Gegenstände aus der Natur, wie Blumen, Äste oder schöne Steine. Ich kreierte daraus Stillleben. Meine Freunde konnten nichts damit anfangen. Außerdem zeichnete ich viel und gerne, vor allem möblierte Zimmer.
HG: Nenne uns drei deutsche Brands, die man auf dem Schirm haben sollte?
WN: Rene Storck, Rike Kaufmann, Stephanie Schneider Jewelery. (Anmerkung der Redaktion: MW STUDIO BERLIN HAMBURG.)
HG: Was bedeutet Ästhetik für Dein Leben?
WN: Es spielt eine sehr große Rolle für mich. Ästhetik bestimmt mein Leben. Ich stehe morgens damit auf und gehe abends damit ins Bett. In unserem Buch “Ästhet” haben Rike und ich versucht, dieses Wort in Bilder zu fassen.
HG: Bewertest Du Menschen nach ihrem Geschmack? Oder kannst Du vom Stil auf den Charakter schließen?
WN: Als visueller Mensch kann man am Erscheinungsbild eines Menschen auch dessen Welt erkennen.
HG: Wo lässt Du Dich selbst gehen? Was sind Deine guilty pleasures?
WN: Ich bin eigentlich kein Mensch für's „sich gehen lassen“. Wenn ich viel und hart gearbeitet habe, kaufe ich mir gerne etwas Schönes, zur Belohnung.
HG: Da schließen wir uns gerne an! Vielen Dank, lieber Wolfram, für Deine Zeit.
Und hier geht es zu WOLFRAM NEUGEBAUERS Welt: www.wolframneugebauer.de
