DesignStar Inkognito: FRANK LEDER.

Text/Fotos von Sharon Berkal.

Die Kantstraße in Charlottenburg ist ein echtes Berliner Unikat: Auf rund drei Kilometer reihen sich Szenerestaurants an verrauchte Stehkneipen, Dönerbuden an Sexshops und asiatische Import-Export-Läden an luxuriöse Möbelläden und Galerien. Hier ist jeder willkommen und jeder zu Hause. Ein Ort für Berliner; Touristen trifft man nur in moderaten Dosen. Gesäumt ist die Straße von prunkvollen Altbauten, deren Glanz von Jahrzehnten Feinstaub getrübt ist – und von gesichtsloser Nachkriegsarchitektur, die pragmatisch in Bombenlücken gestopft wurde.

In einem dieser herrschaftlichen Häuser, in einer wahrhaft stattlichen Wohnung befindet sich das Reich des Designers Frank Leder. Unter dem Namen „2.Stock“ sind hier Atelier, Büro und Verkaufsfläche zusammengefasst. Das Wort „Reich“ ist bewusst gewählt, denn selten wurde ein individueller Stil so konsequent durchexerziert wie auf diesen 200 Quadratmetern. Eine Wunderkammer: verspielt, aber nie verkitscht; immer maskulin und immer geerdet. Die Basis von Frank Leders Designsprache ist die Essenz des Deutschen: Tradition, Geschichte und Orte gefiltert, destilliert und ohne Tümelei in die Moderne übertragen. Ästhetisch faszinierend. Angenehm zeitlos.

Die Essenz des Deutschen auf 200 Quadratmetern.

Neben seiner Herrenkollektion hat er eine eigene Kosmetiklinie namens "Tradition" und entwickelt Produkte für Hotellerie und Gastronomie. Im Berliner Sternerestaurant Nobelhart & Schmutzig riecht es zum Beispiel nach seinem Raumduft „Roter Presssack“ und im ebenfalls Berliner und ebenfalls mit Sternen dekorierten „Ernst“ trägt das Personal von ihm entworfene Uniformen – während die Gäste sich mit einer von ihm kreierten Seife die Hände waschen.

Und doch ist Frank Leder ein Designstar inkognito: In Asien gefeiert, in Deutschland fast gänzlich unter dem Radar.Siebzig Prozent seiner Kollektionen verkauft er im asiatischen Raum, vor allem in Japan. Sein zweitgrößter Markt ist Nordamerika, mit Kunden von Los Angeles bis New York. In den deutschen Markt gehen gerade mal zwei Prozent seiner Produktion. Ein klassischer Fall von “Prophet im eigenen Land”.

Getragene Deutschstunde.

In Leders Kampagnen trifft man immer wieder auf bekannte Männergesichter, wie hier z.B. auf den Berliner Musiker DJ Fetish, Fran Healy von Travis oder den Maler Martin Eder.

Bei unserem Interview wirkt Frank Leder wie sein Stil: zeitlos, charakterstark, mit Manieren. Ein Mann, mit dem man per Handschlag Geschäfte macht. Ein stimmiger Auftritt. Geboren wird Frank Leder 1974 in Nürnberg, im beschaulichen Franken. Sein Vater arbeitet in einem Architekturbüro – baut keine Avantgarde-Häuser, sondern funktionale Architektur wie U-Bahnhöfe oder Krankenhäuser. Die Kirche, nicht das Design, spielt eine tragende Rolle im Hause Leder.

Sharon Berkal: "Ab wann hast du gemerkt, dass Mode, Design oder Kunst ein Thema für Dich ist? Nürnberg ist nicht als Stil-Hochburg bekannt."

 

Frank Leder: "Gerade weil Nürnberg nicht die Hochburg in Sachen Stil ist, hat Design mein Interesse geweckt. Wir reden hier von den 80er Jahren. Wenn du irgendetwas von Mode & Design wissen wolltest, musstest du zum Bahnhofskiosk gehen. Der einzige Laden mit internationaler Presse. Sich die Magazine dort anzusehen, war ein Höhepunkt im tristen Leben eines Jugendlichen um die 17. Ich war auf der Suche nach Identifikation, und die klassische Jugendkultur hat mir nicht viel gesagt."

 

Sharon Berkal: "Pre-Internet gab es ja noch so richtig ausgeprägte Jugendkultur, wie Mods, Popper und Co."

 

Frank Leder: "Definitiv, ja. Natürlich in Nürnberg eher eindimensional. Trotzdem gab es in dieser kleinen Stadt in Bayern damals schon eine der wenigen Boutiquen in Deutschland, die Dries van Noten und Martin Margiela verkauft haben. Dieser Laden war so anders. Du dachtest, du wärst mit einem Raumschiff auf einem fremden Planeten gelandet. Plötzlich hatte man Zugang zu diesen Sachen, die man in der Zeitung gesehen hat. Das Material zu fühlen; zu sehen, wie alles geschnitten ist, das war wie ein wahrer Schatz. Für mich ein totales Erweckungserlebnis. Heute in dieser Form leider gar nicht mehr möglich, denn du hast digital alles auf einen Blick und der Algorithmus schlägt dir alles Weitere vor. Damals musste man sich alles selbst erobern, hatte aber bleibende Eindrücke. Dieser kleine Laden in Nürnberg hat mich auf alle Fälle in die Welt der High-End-Mode eingeführt."

Frank Leder will sich kreativ austoben, dass es die Mode wird, ist eher zufällig. Er ist keiner dieser Designer, die schon als Kind die Puppen der Schwester eingekleidet hatten. Als er sich nach dem Abitur Anfang der 90er Jahre umsieht, laufen gerade die Bewerbungen für das Modestudium am Central St. Martin's College in London. Es ist eine der renommiertesten Kunsthochschulen der Welt, an der internationale Designstars wie Vivienne Westwood, John Galliano oder der verstorbene Alexander McQueen gelernt haben. Er versucht es einfach... und wird sofort angenommen. Als Flucht vor der Heimat hat er sein Auslandsstudium nie verstanden; es hätte damals einfach keine adäquate Ausbildung in Deutschland gegeben. Sicher ist auch, dass Deutschland ihm zu dieser Zeit nicht das Tor zur Welt sein konnte, auf dem er den Erfolg seines Labels heute aufbaut. Schon im Studium knüpft er mit Chuzpe, Glück und viel Fleiß wichtige Kontakte für seinen weiteren Weg als Designer.

Frank Leder: "Es gab während meiner Studienzeit einen Laden in London, der hieß „The Pineal Eye“. Das war der coolste Laden der Stadt. Die waren so weit vorne mit ihrem Sortiment, die haben mein modisches Erweckungserlebnis in Nürnberg noch einmal getoppt. Da bin ich regelmäßig hin und habe mich über die Zeit mit den Besitzern angefreundet. Eines Tages meinte ich dann ganz mutig, dass es doch ganz geil wäre, wenn ich meine kleine Kollektion, die eigentlich noch gar nicht existierte, da auch mal hinhängen könnte. Natürlich auf Kommissionsbasis. Sie sagten ja und ich war in der Pflicht meine erste eigene kleine Kollektion herzustellen."

 

Sharon Berkal: “Männer waren schon immer Deine Zielgruppe?”

 

Frank Leder: “Am Anfang war es noch gemischt, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass Herrenmode mein Steckenpferd ist. In dem Laden verkehrten damals viele Haus- und Hofstylisten von Magazinen, wie "The Face" oder "ID". Die haben meine Entwürfe wirklich gekauft. Aber der richtig große Coup war ein Japaner, der meine Designs im Laden entdeckt hatte. Er war Modeagent und wollte mich in Japan vertreiben. Man muß sich das mal überlegen: Ich war ja immer noch Student und hatte plötzlich diese Chancen wie ein bereits etablierter Designer. Die habe ich natürlich genutzt und auf eigene Faust Kollektionen im größeren Stil für´s Ausland hergestellt. Neben meinen Kursen und Prüfungen. Das hat mich wahnsinnig viel gelehrt."

Frank Leder vor einem Vorhang aus... Leder.
Frank Leder vor einem Vorhang aus... Leder.

"Kleidung ist verwoben mit Geschichten und Mythen. Ich werde dadurch inspiriert, verstehe mich aber auch als Kulturvermittler."


Dieser Kontakt nach Asien, das war sein großer Durchbruch. Noch immer ist der japanische Mann aus dem coolen Laden in London sein Agent. Seine Kollektionen sind in Ländern wie Korea oder Taiwan regelmäßig ausverkauft. Für die Asiaten ist das Deutsche so exotisch wie für uns das Asiatische. Jede seiner Kollektionen hat ein bestimmtes Thema aus dem deutschsprachigen Raum zu Grunde und kann fast als Lehrstunde für „Heimat“ verstanden werden.

Sharon Berkal: “Was findest du so spannend am deutschen Kulturkreis?”

 

Frank Leder: “Es gibt einfach so viele Geschichten, die mit dem Thema Kleidung verbunden sind und die nie erzählt wurden. Ein herausragendes Beispiel ist der Handwerker auf der Walz. Da geht es um Kluft, um Kleidung als Erkennungsmerkmal, um Rituale, um Alltagskultur. Da kann man wunderbar eine Kollektion draus machen. Wie viele Leute in Deutschland wissen noch, was hinter diesen seltsamen Typen steckt, die man noch ab und an auf der Straße trifft? Vielleicht wissen sie noch, daß es ein Handwerker ist, der jetzt drei Jahre und ein Tag unterwegs ist... Aber das war es dann auch schon. Aber was noch alles dahintersteckt? Zum Beispiel stammt der Begriff „Schlitzohr“ von dieser Tradition ab. Die Handwerker durften außer einem goldenen Ohrring nichts mit auf die Walz nehmen. Se mussten arm sein. Also trugen die meisten goldene Ohrringe. So, und jetzt gab es dann zum Beispiel einen unguten Zwischenfall wie „Lehrling fällt betrunken vom Dach“ und der Handwerker fällt beim Meister in Ungnade. Schwupps, da wurde zur Bestrafung der Ohrring rausgezogen. Und deshalb: Schlitz im Ohr, Schlitzohr. Du siehst, Kleidung ist verwoben mit Geschichten und Mythen. Ich werde dadurch inspiriert, verstehe mich aber auch als Kulturvermittler. Und die Amerikaner oder die Japaner finden das sehr interessant, wenn man auch beim Verkauf eine Geschichte erzählen kann.“

 

Sharon Berkal: “Aber natürlich ist die Annäherung an die Deutschstunde über Burschenschaften und Co. im Ausland auch weniger belastet. Allzu schnell und zu ungenau urteilende Menschen könnten deinen Stil hierzulande missverstehen. Wie ist da deine Erfahrung?”

 

Frank Leder: “Das ist eine Frage, die hatte ich schon lange nicht mehr auf dem Tisch. Und wenn, dann eh nur von Deutschen. Aber klar, viel an Kulturgut und Brauchtum im deutschen Sprachkontext wurde von den Nazis missbraucht. Das wurde alles zugespitzt und für die eigene Sache missbraucht. Mir als Modedesigner und auch Künstler ist es deshalb auch ein Anliegen, zu sehen, wie man das wieder aus dieser Ecke herausholt. Weil es wäre ja das Schlimmste, wenn Tradition und Geschichte mit all seinen Symbolen und Zeugnissen einfach den Rechten überlassen wird. Man muss es da wieder rausholen. Man muss es wieder einbetten. Man muss es wieder neutralisieren. Man muss es auch wieder irgendwie positiv beladen. Sonst geht dieser Kulturschatz, der er ja auch mal in keinster Weise negativ belastet war, unter brauner Soße verloren. In einer meiner letzten Winterkollektion war die Inspiration Jugendgruppen im dritten Reich –, wie die Leipziger Meuten oder die Swing Kids aus Hamburg, die gegen die Nazis widerstand geleistet haben. Das kann sich gerne jemand mit falscher Heimattreue anziehen. Und daraus lernen.”

Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Arbeitsalltag im 2.Stock.

Anfang der 2000er zieht es Frank Leder zurück nach Deutschland. Er entdeckt hier Firmen, die noch nach alter Tradition Stoffe herstellen und nähen – es muss nicht der weiten Welt sein, um für die weite Welt zu produzieren. Das beschauliche Nürnberg tauscht er allerdings gegen das große Berlin. Gegen seinen 2. Stock auf der Kantstraße. Seinem Wachstum setzt er selbst Grenzen: Massenmarkt und Handarbeit schließen sich einfach aus. Oft wählt er für seine Designs Vintage-Stoffe oder -Knöpfe aus, die schon durch die Natur ihrer Sache limitiert sind. Mit Kopien zu arbeiten, käme für ihn nicht in Frage – es hätte eine andere Emotionalität. Auch viele Läden genügen seinem Qualitätsanspruch nicht, seine Verkaufspartner sind ausgewählt. Diese konsequente Haltung zum guten Produkt und zu seinen Prinzipien verleiht seiner Marke einen Charakter, der in der Modewelt selten zu finden ist. Seine Kunden danken es mit zum Teil jahrzehntelanger Treue.

Für HAUS GLANZ hat FRANK LEDER nun eine exklusive Kollektion entworfen. Die limitierten Entwürfe sind der perfekte Einstieg und die Grundlage für eine gute Garderobe.