Der SCHöNE DEUTSCHE.

Das Leben des Gottfried von Cramm. Ein Buch Jens Nordalm.

Es sind die ausgehenden 1920er und frühen 30er Jahre, die uns bis heute faszinieren. Die kurze Zeit der außergewöhnlichen Blüte deutscher Kultur vor dem Kulturbruch. Die Amerikaner nennen das 20. Jahrhundert auch „The German Century“, im Guten wie im Bösen.

 

Gottfried von Cramm war Zeuge dieser Ära. „Der schöne Deutsche“, das Buch über einen außergewöhnlichen Landsmann im 20. Jahrhundert ist eine Sensation. Was übertrieben klingt, ist wahr. Mit Sondergenehmigung durfte Jens Nordalm, der Feuilletonchef der Zeitschrift Cicero, das Privatarchiv der Familie von Cramm auf Schloss Bodenburg nutzen, mit Briefen und Aufzeichnungen des „Tennisbarons“ und vieler seiner Angehörigen. Zahlreiche Fotos im Band sind noch nie veröffentlicht worden.

Baron Gottfried von Cramm, der zweitbeste Tennisspieler der Welt seiner Zeit, war und ist für viele auch der eleganteste. Selten ist ein Deutscher gewinnender aufgetreten. Dem Beau lag die Damenwelt zu Füßen, und das nicht nur in Wimbledon. Wegen seiner Liebe zu einem Mann musste der Hitler-Gegner 1938 ins Gefängnis. Später heiratete er die reichste Frau der Welt, die Woolworth-Erbin Barbara Hutton, die ihn noch attraktiver fand als seinen Vorgänger Cary Grant. Gottfried von Cramm: ein Superstar, geliebt und geachtet, über Jahrzehnte wahrgenommen als Gesicht eines anderen Deutschlands. Er spielt fair und ist von fast überirdischer Noblesse.


Mit seiner ersten Frau Lisa führt Cramm ein Leben auf der Höhe der Berliner Möglichkeiten dieser Jahre. Die beiden sind ein strahlendes Sportlerpaar, sehen aber eigentlich eher aus wie Geschwister. Seit 1931 wohnen die beiden im zweiten Stock der Charlottenburger Dernburgstraße 35, mit Zofe, Köchin, Diener und Chauffeur, ermöglicht durch monatliches Geld ihres Gönners Louis Hagen. Man erinnert sich an ein «Edel-Apartment» wie die Filmkulisse für Fred Astaire und Ginger Rogers. Film- und Theaterstars wie Zarah Leander sind unter den Ein- und Ausgehenden, es gibt Cocktailpartys vor Theaterbesuchen oder nächtliches Baden der Abendgesellschaften in den Seen des Grunewalds, im Wannsee. Man fühlt sich frei und der neuen Zeit und ihren Gesetzen aus Zwanglosigkeit und verwischenden Grenzen verpflichtet. Und es ist toll! Zumindest für eine bestimmte Klasse, die die Auswüchse der Wirtschaftskrise noch nicht am eigenen Leibe spürt.

Alle Bilder stammen aus dem Privatarchiv der Familie von Cramm.


Doch das Blatt wendet sich. Zunächst ist Gottfried durch seine sportlichen Erfolge noch vor den Nazis geschützt. Letztlich wird ihm aber seine klare Anti-Haltung zum NS-Regime und offen gelebte Bisexualität zum Verhängnis. Die Lust am Mann ist den Nazis mehr als willkommen. Cramm landet wegen Unzucht in der Strafanstalt Moabit, wo er ab 1938 fast ein Jahr einsitzt. Er kommt mit Hilfe seiner Mutter frei und muss an die Front. Er überlebt den Zweiten Weltkrieg, die Verurteilung ist aber ein Bruch in seiner Biografie und nach dem Krieg wird ihm die Einreise in viele Länder verwehrt. Wie alles war und was alles wird, ist unbedingt lesenswert.

 

Jens Nordalm ist mit seinem Buch etwas gelungen, was sehr schmerzhaft ist und für uns Deutsche auch sein muss. Er haucht den zur Zeit etwas überstrapazierten Goldenen Zwanzigern echtes Leben ein und führt uns in eine Dunkelheit, die atemberaubend ist. „Der schöne Deutsche“ lässt niemanden kalt. Es ist ein Trümmerfeld aus intellektuellem und kulturellem, vor allem aber aus menschlichen Verlust, der uns bis heute umtreibt, ob wir es wollen oder nicht.

 

Zum Autor des Buches:

Jens Nordalm studierte Philosophie, Literatur und Geschichte in Bonn, Freiburg und Edinburgh. Nach seiner Promotion arbeitete er als Universitätsdozent, als Redenschreiber für Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und zwei Bundespräsidenten sowie als Autor u. a. für ZEIT, Welt und FAZ. Er leitet die Ressorts Salon und Literaturen der Zeitschrift Cicero.

 

"Der schöne Deutsche" ist im Rowohlt Verlag erschienen. 24 Euro im Hardcover. ISBN: 978-3-498-00207-7. Zu bestellen hier.



Die schönsten Bücher vorgestellt von der schönsten Buchhandlung Berlins: Geistesblüten.

Dieses Buch wurde Ihnen von MARC IVEN von der Berliner Buchhandlung GEISTESBLÜTEN vorgestellt. Im Westen der Stadt, am Walter-Benjamin-Platz gelegen, sind die "GEISTESBLÜTEN" nicht nur Buchhandlung, sondern auch Galerie, Veranstaltungsort und Magazin. Gegründet 2011 von CHRISTIAN DUNKER & MARC IVEN.

 

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