Alles Friedrich!

Wie die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin ein Stück deutsche Geschichte wurde.



Wer sich unter dem Begriff „Traditionsfirma“ nichts vorstellen kann, der sollte einmal die KPM in Berlin besuchen. Wer sich unter „Luxus“ nur glänzendes Gold vorstellen kann, der sollte einmal die KPM in Berlin besuchen. Und wer unter "deutscher Wertarbeit" nur Stahl und Autos versteht, auch der sollte einmal die KPM in Berlin besuchen. Die KPM, die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin. Gegründet 1763 von Friedrich dem Zweiten, König von Preußen. Um das Ausmaß dieser Worte zu verstehen, sollte man – SIE AHNEN ES – die KPM in Berlin besuchen.

 

Und das ist einfacher als gedacht: Nur wenige Schritte vom S-Bahnhof Tiergarten entfernt, sitzt seit rund 200 Jahren die KPM in Berlin; ihr erster Standort war in der Leipziger Straße in Mitte. Noch heute wird in der KPM jedes Stück Porzellan per Hand gefertigt und in die ganze Welt verschickt. Neben der Manufaktur, den Verwaltungs- und Designbüros, gibt es für Besucher ein Café, ein Museum und einen kunstvoll gestalteten Werksverkauf. Man sieht schnell, daß hier jemand wusste, was er tut.

Die KPM versprüht Magie.

Als würde hier, in ihrem Areal, eine andere Art der Zeitrechnung gelten. Es ist dieses einzigartige Gefühl jener Orte, die Jahrhunderte an sich vorbeiziehen lassen haben. Betont wird diese Magie durch die aufstrebenden und modernen Bauten, die, zum Teil noch unfertig, gerade rund um die KPM errichtet werden. Sie machen uns deutlich:

 

Hier steht ein lebendiges Denkmal.

Hier steht ein Stück Deutschland.

KPM Deutschland Haus Glanz Luxus Concept Store Manufaktur
KPM-Gelände in der Wegelystr.1 in Berlin

Friedrich II.
Friedrich II.

Und dieses Stück Deutschland, das beginnt ab Mitte des 18. Jahrhunderts. Vor der eigentlichen Gründung der KPM gab es bereits zwei Versuche die Fertigung des weißen Goldes in Berlin zu etablieren. Auch mit Wohlwollen und Förderung von Friedrich II., denn Porzellan war die große Leidenschaft des Preußenkönigs. Doch die beiden ersten Versuche scheitern, wird Friedrich 1763 lieber selbst aktiv... und Unternehmer. Er gibt der Königlichen Porzellan-Manufaktur das Königliche im Namen und sein kobaltblaues Zepter als Markenzeichen. Bis zur Abdankung Wilhelms II. im Jahr 1918 ist die KPM im Besitz von sieben Königen und Kaisern.

 

Für die Gründung der KPM hatte Friedrich die desolate, aber noch bestehende Porzellanmanufaktur des Berliner Kaufmanns Johann Ernst Gotzkowsky für die beachtliche Summe von 225.000 Reichstalern abgekauft. Zum Vergleich: Ein einfacher Soldat der preußischen Armee verdiente zur gleichen Zeit rund 50 Reichstaler PRO JAHR. Friedrich zeigte als Unternehmer Charakter und modernen Verstand: Er übernimmt das gesamte Personal von 146 Mitarbeitern, schafft die Kinderarbeit ab, sorgt für geregelte Arbeitszeiten, überdurchschnittliche Einkommen, gesicherte Renten, eine Betriebskrankenkasse sowie die Versorgung für Witwen und Waisen. Ein wahrer Musterbetrieb. Auch mit dem Verständnis von 2018. Oder vielleicht gerade mit dem Verständnis von 2018.


Service Kurland. Erster Entwurf im Jahr 1790
Service Kurland. Erster Entwurf im Jahr 1790
Schloss Sanssouci
Schloss Sanssouci
Service Neuzierat . Erster Entwurf im Jahr 1767
Service Neuzierat . Erster Entwurf im Jahr 1767

Das Unternehmerdasein hat einen angenehmen Nebeneffekt für Friedrich: Als Eigentümer kommt der König nicht mehr in die Verlegenheit, über passende Geschenke nachdenken zu müssen. Diplomatischen Geschenke Preußens stammen fortan fast alle aus der Manufaktur und finden sich im russischen Zarenhaus ebenso wie auf den Tafeln der europäischen Königshäuser. Von 1765 bis zu seinem Tode im Jahr 1786 bestellt Friedrich der Große bei der KPM Porzellan im Wert von 200.000 Talern. (Wir erinnern uns: Der einfache Soldat verdient 50 Taler Jahresgehalt.) Allein für seine Schlösser gibt Friedrich 21 Tafelservice mit jeweils bis zu 450 Einzelteilen in Auftrag.

 

Nach seinem Tod 1786 übernimmt Neffe Friedrich Wilhelm II. die Manufaktur und entwickelt sie zu einem technologisch führenden Unternehme. Mit dem Betrieb geht es steil bergauf: Ab 1787 beträgt der durchschnittliche Reingewinn pro Jahr mehr als 40.000 Taler. (Noch ein Vergleich: Ende der Achtzigerjahre des 18. Jahrhunderts betrug die Durchschnittsmiete für zwei möblierte Zimmer inklusive Kost 100 bis 120 Taler im Jahr.) Stilistisch weichen in dieser Design-Epoche die verspielten Formen den klaren Linien des Klassizismus. Diese Zeit bringt eines der bekanntesten und noch heute erfolgreichsten Produkte der KPM hervor: das Tafelservice Kurland. (Siehe Interview mit Jörg Woltmann.) Beauftragt wurde es um 1790 von Peter Biron Herzog von Kurland als Hommage and die Ideale der Antike. (Falls Sie nicht mitgerechnet haben: Wir erzählen Ihnen gerade von einem Produkt, das seit fast 230 Jahren konstant im Programm ist!)

Aber auch andere Designs aus dieser Epoche sind in die Hall-of-Porzellan eingegangen, dank berühmter Künstler der Zeit wie Karl Friedrich Schinkel oder Johann Gottfried Schadow. Sie alle haben für die KPM Vasen und Skulpturen entworfen. Bis 1810 hatte die KPM übrigens das Monopol auf die Porzellanherstellung in Preußen.

Prinzessinnengruppe von Schadow. Erster Entwurf der KPM im Jahr 1797
Prinzessinnengruppe von Schadow. Erster Entwurf der KPM im Jahr 1797

Verkaufsraum der KPM in der Leipzigerstraße. 1890
Verkaufsraum der KPM in der Leipzigerstraße. 1890
Prunkpedule. Um 1900 (Was auch immer Pedule ist.)
Prunkpedule. Um 1900 (Was auch immer Pedule ist.)

Die Entwürfe der KPM erzählen nicht nur abstrakt deutsche Geschichte, nein, auch ganz konkret. Neben den wechselnden Stilen und Geschmäckern der Gesellschaft, hatte auch immer das politische Geschehen Einfluß: Sei es z.B. die Besetzung Berlins durch Napoleon (Er läßt einmal kurz die Kassen und Lager zu französischen Gunsten leeren.) oder der Erste Weltkrieg. Designtechnisch im Jugendstil angekommen, soll das Volk auf jeglichen Luxus verzichten und „Gold für Eisen“ geben. Auf kaiserlichen Wunsch streicht die KPM das Golddekor. Das Eiserne Kreuz rückt als Motiv in den Vordergrund. Künstler malen statt Rosen nun Eichenlaub und anstelle von süßen Schäferinnen die Porträts der Befehlshaber, allen voran die von Wilhelm II. und Hindenburg. Wir freuen uns, daß diese Sitte die Zeit nicht überlebt. Oder gibt es Bedarf nach einem Bundestag-Service? Dann schreiben Sie uns bitte eine Mail und wir leiten diese weiter an die KPM.

 

Mit dem Ende der Monarchie im Jahr 1918 wird die KPM zur Staatlichen Porzellan-Manufaktur und Produzent unzähliger Design-Ikonen der Moderne.

Unter ihrem Direktor Günther von Pechmann, dem Begründer der Neuen Sammlung in München und Vorsitzenden des Deutschen Werkbunds, beginnt ein neuer stilistischer Abschnitt. Werkbund und Bauhaus beeinflussen die künstlerischen Konzepte. Das im Geist des Bauhauses gestaltete Service Urbino der deutschen Bildhauerin Trude Petri aus dem Jahr 1931 bringt dem Unternehmen nicht nur kommerziellen Erfolg. 1937 wird es auf der Weltausstellung in Paris mit dem Grand Prix ausgezeichnet und ist heute ein Teil der Sammlung der Museum of Modern Art in New York. (Urbino bekommen Sie natürlich auch im HAUS GLANZ.)

Trude Petri.
Trude Petri.

Service Urbino. Entwurf von 1931
Service Urbino. Entwurf von 1931
Vase Halle . Entwurf von Marguerite Friedländer. 1931
Vase Halle . Entwurf von Marguerite Friedländer. 1931
Marguerite Friedländer
Marguerite Friedländer

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hat in den 30er Jahren für viele Künstler der KPM gravierende Folgen: So wird zum Beispiel Marguerite Friedlaender aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zur Emigration gezwungen. Ludwig Gies und Gerhard Marcks werden wegen ihrer Loyalität zu jüdischen Kollegen aus ihren Lehrämtern entlassen und erhalten Ausstellungsverbot. In der Nacht vom 22. auf den 23. November zerstört ein alliierter Bombenangriff die KPM-Gebäude am Tiergarten, mit ihnen Maschinen und Materialien. Viele Formen sind damit unwiederbringlich verloren.

 

Durch den Bombenangriff zu einem kurzen Gastspiel in Franken gezwungen, produziert die KPM ab 1957 wieder in Berlin. Ein KPM-Klassiker der jüngeren Designgeschichte ist das Mokkaservice Stambul des Designers Wolf Karnagel. Originale erzielen bei Auktionen Höchstpreise.


Bis 1988 wird die KPM (immer noch in Staatsbesitz) durch einen Senatsbeschluss zu einer klassischen GmbH umgestaltet. Man konzentriert sich wieder stärker auf die kulturellen und kunsthandwerklichen Traditionen der Manufaktur und rekonstruiert in der Zeit von 1998 bis 2003 das gesamte KPM-Quartier am Berliner Tiergarten unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Geleitet wird das Projekt von den renommierten deutschen Architekten von Gerkan, Marg und Partner. Trotz aller Bestrebungen scheitern mehrere Privatisierungsversuche der Firma und 2006 – fast 250 Jahre nach ihrer Gründung – steht die KPM vor der Insolvenz.

 

Was jetzt kommt ist ebenfalls ein wenig Stadtgeschichte:

Der Berliner Bankier Jörg Woltmann übernimmt nach nur einer Woche Bedenkzeit die Königliche Porzellan-Manufaktur im Februar 2006 als Alleingesellschafter und rettet somit Friedrichs Vermächtnis für das 21. Jahrhundert. Doch da wir im HAUS GLANZ, wie sagt man so schön im Deutschen, „here to stay“ sind, erzählen wir Ihnen diesen Teil der KPM-Geschichte an einer anderer Stelle...

 

Friedrich like it´s 1999!
Friedrich like it´s 1999!
Mokkaservice Stambul. Erster Erntwurf im Jahr 1968
Mokkaservice Stambul. Erster Erntwurf im Jahr 1968

KPM Berlin

 

Erlebniswelt Manufaktur und Flagshipstore

Wegelystraße 1

10623 Berlin

030 39 00 94 72

Öffnungszeiten:

Montag – Samstag von 10:00 bis 18:00 Uhr / Sonn- und Feiertage geschlossen




Jedes Produkt der KPM ist bis heute handgefertigt. Hier sind einige Menschen hinter den Händen:

TIMM LANGHOFF

Arbeitet in der KPM: seit 2005

Beruf: Industriekeramiker in Verfahrenstechnik

 Liebste Tätigkeit: Alles! Liebt den Abwechslungsreichtum seines Berufs

 Liebstes KPM-Produkt: Alle Figuren

 

HAUS GLANZ: „Ist Ihr Job mehr als nur ein Job?“

TIMM LANGHOFF: „Ich bin schon teilweise sehr stolz. Wenn man privat neue Freunde kennenlernt, ist das immer eine interessante Sache, wenn man anfängt mit Friedrich, dem Großen, und dann, ja, DER Große mit seinem dreieckigen Hut auf seinem Pferd, DER hat das gegründet. Und wenn man denen dann erst einmal erklärt, wo, wie und was man arbeitet, da merkt dann schon, daß es was anderes ist.“

 

 HAUS GLANZ: Warum mal lieber mal zwei billige Tassen im großen Möbelhaus stehen lassen und dafür eine bei der KPM mitnehmen?

TIMM LANGHOFF: „Ich habe vor einer ganzen Weile aufgehört, auf der Arbeit zu rauchen. Aber wenn ich jetzt mal im Stau sitze oder richtig Stress habe, dann gönn ich mir diese eine Zigarette. Und die ist etwas ganz Besonderes. Keine ganze Schachtel mehr, nur diese eine Zigarette. Und wenn sich man dann abends oder früh eine Tasse Kaffee als Auszeit gönnen möchte, dann sollte das eben in einer ganz besonderen Tasse sein.“

 

Katrin Fleck-Raulin

Arbeitet bei der KPM: seit 1990

Beruf: Figurenkeramformerin

Liebste Tätigkeit: Die Arbeit an den dicken Engel von Scheurich

Liebstes KPM-Produkte: Alle Teelichter

 

HAUS GLANZ: „Warum sollte man sich Porzellan von KPM kaufen?“

KATRIN FLECK-RAULIN: „Das ist eine handwerkliche Kunst. Die muß man unterstützen, damit sie nicht ausstirbt. Denn sonst ist es damit irgendwann vorbei und niemand möchte es mehr herstellen. Und es geht ja nicht nur um weiße Vasen, sondern auch um ein Stück Kultur. Das sind viele Formen, seit 1790, die immer wieder hergestellt werden. Das ist doch wunderschön!“

Doreen Obermann

 Arbeitet bei der KPM: seit 1990

 Beruf: Figurkeramformerin

 Liebste Tätigkeit: Arbeit am Berlin-Service wegen seiner perfekten Harmonie

 Liebstes KPM-Produkt: Dame mit Kniegeige

 

HAUS GLANZ: „Wie bringen Sie Ihren Freunden die KPM nah? 

DOREEN OBERMANN: „Völlig überschwinglich, leider. Ich beschreibe Ihnen, daß ich nicht nur Übertöpfe mache, sondern z.B. eine Kanne mit all ihren Details – oder eine Sauciere. Das hier wirklich jeder einzelne Henkel, jede Tülle mit der Hand gemacht ist. Ich hab da inzwischen wirklich alle mitgerissen, die wollen jetzt auch alle nur noch KPM.“

 

HAUS GLANZ: „Also, wenn man die einmal auf Spur bringt, dann bleiben sie dabei?“

 DOREEN OBERMANN (lacht):

„Ja! Die, die ich kenne, die haben Blut geleckt.“

 

Jörg Woltmann

Arbeitet in der KPM: seit 2006.

Beruf: Inhaber

Liebste Tätigkeit: Die KPM zukunftsfähig und

zur besten Porzellanmanufaktur der Welt machen

Liebstes KPM-Produkt: Viele, die "Prinzessinnengruppe von Schadow" ganz besonders

 

HAUS GLANZ: „Was für einen Stellenwert hatte die KPM bei Ihnen VOR dem Kauf? “

 JÖRG WOLTMANN: „Ehrlicherweise war ich nicht immer Porzelliner. Aber für mich gehörte KPM schon seit meiner Kindheit einfach dazu. Es war immer etwas Besonderes. Meine Mutter servierte jeden Sonntag das Essen für die Familie auf Kurland. Für meinen Bruder und mich ein besonders erfreulicher Tag, denn wir mussten nicht abspülen. Die Gefahr, dass das gute Porzellan dabei zu Bruch geht war einfach zu groß. Daher habe ich mir auch bereits mit 28 mein erstes eigenes KPM Kurland gekauft. Das besitze ich noch heute. Allerdings speisen wir nun täglich davon.“

 

HAUS GLANZ: „Was war Ihre Motivation zum Kauf und was haben Freunde und Bekannte, die ebenfalls als Investoren auftreten, dazu gesagt? Schließlich ist die KPM kein fancy Start-up mit Einhorn-Logo.“

JÖRG WOLTMANN: Für mich war es eine Herzensangelegenheit, die KPM zu kaufen. Die KPM ist das älteste Unternehmen Berlins und somit auch ein wichtiges Kulturgut für die Stadt. Als die Manufaktur damals zum Verkauf stand, hatte ich nicht viel Zeit. Meine Berater haben sich deutlich dagegen ausgesprochen, schließlich war das Risiko hoch. Es kam für mich nicht in Frage, dass die KPM zerschlagen wird und womöglich die Rechte nach Fernost gehen. Also habe ich mit meiner Familie gesprochen. Die haben mir zugestimmt und so ist die Entscheidung relativ kurzfristig, innerhalb von einer Woche gefällt worden. Dann habe ich die KPM vor der Insolvenz und auch das Manufaktur-Gelände erworben. Bis heute bereue ich diese Entscheidung mit keinem Stück. Wer bekommt denn sonst die Möglichkeit, eine echte Luxusmarke mitten in Berlin zu besitzen?



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