Unsere Reise nach Bayreuth beschreibt symbolisch auch die Reise, die wir mit mit HAUS GLANZ gemacht haben: Hätte man uns vor fünf Jahren spontan Karten für sechs Stunden teutonische Oper in der bayerischen Provinz angeboten, wir hätten mit den Augen gerollt. Nicht, dass wir damals weniger kulturinteressiert waren, aber wir hätten es wahnsinnig uncool gefunden und wären wohl lieber nach Verona und zu Puccini gefahren. Da wir aber kein Wasser predigen und Wein trinken, haben wir die Tickets jetzt mit Freude angenommen... Und nehmen Sie nun mit auf ein für uns Horizont-erweiterndes Wochenende.
(Wenn Sie auch schon vor fünf Jahren "Hier!" geschrieen hätten, hoffen wir Ihnen an anderer deutscher Stelle Neuland präsentieren zu können.) ((Und: Wir veröffentlichen den Artikel bewusst nach den Festspielen, so dass Sie a) ein Jahr Zeit, haben an Karten zu kommen und b) sich nicht verpflichtet fühlen, nur während den Festspielen nach Bayreuth zu reisen. Das wäre nämlich schade.))
DIE ANREISE:
Die Anreise ist etwas 'aufwendiger' – es sei denn, Sie wohnen im Nachbarort. Bayreuth liegt an keiner Hauptverkehrsader: Es muss immer abgefahren und umgestiegen werden. Von Berlin waren wir fünf sehr üppige Stunden unterwegs, so dass wir Ihnen an sich mindestens zwei Übernachtungen in der Stadt empfehlen. Zu sehen gibt es genug.
DAS HOTEL:
Wir legten uns zur Ruhe im traditionsreichen Hotel "Zum Goldenen Anker", das man ohne Umschweife als Boutique-Hotel bezeichnen kann. Als Fan von klaren Linien könnte der Goldene Anker Sie eventuell überfordern, aber wenn Sie Freude an stimmigen Gesamtsituationen mit Liebe zum Detail haben, sind Sie in diesem Haus mehr als richtig.
Im denkmalgeschützten Ensemble des Hotels spüren Sie in jedem Zimmer die Authentizität eines gewachsenen und traditionsreichen Hauses, das seit Jahrhunderten Gäste beherbergt. Mehrere Epochen, der Zeitgeist und die Ansprüche seiner Gäste haben seine Baulichkeit stark beeinflusst. Bereits 1841 wird der “Anker” im ältesten Bayreuth-Führer als „reinlich, geräumig und elegant“ gepriesen. Keine fünfzig Jahre später wird er als erstes Haus am Platz erwähnt. Herzoginnen, Prinzessinnen, Königinnen geben sich nun die Ehre. Unter den Gästen: Mark Twain, Peter Tschaikowsky, Richard Strauss, Anton Bruckner, Thomas und Katja Mann sowie Vicco von Bülow.
Wir jedenfalls haben hervorragend geschlafen und hoffen, dass das Genie mancher Gäste auf uns abgefärbt hat. Ein Augenmerk noch auf das Frühstück bzw. den Frühstücksraum. Der Stoff der Polsterung erinnert schwer an die aktuellen Dior-Kollektionen. Soll noch einer sagen, die Deutschen können keinen Style!
DIE OPER, DER GRÜNE HÜGEL UND ÜBERHAUPT UNSERE STUNDEN MIT WAGNER:
Der Hügel und sein Opernhaus sind kleiner als erwartet. Aber so ist das eben mit Orten, die so oft durch die Medien geistern – sie werden schnell 'larger than life'. Wir kommen auch nicht umhin und denken sofort an Frau Merkel im Wildseidenen mit Stola um den Schultern. Und wenn man sich Wagner und dem Hügel wie wir mit eher (ebenfalls halb-)seidenem Schulwissen nähert, ist man angenehm überrascht, zu Füssen des Hauses eine Ausstellung zu finden, die an die verstummten Stimmen der Sänger, Orchestermusiker und Chor-Mitglieder erinnert. Künstler, die in Bayreuth wirkten und während des Dritten Reichs aus verschiedensten Gründen – meist ihrer jüdischen Herkunft wegen – nicht mehr auftreten durften. Unser erster Gedanke: Wie souverän, diese Ausstellung zu machen! Als wir später erfahren, dass die Ausstellung von der Festspielleitung nicht goutiert wird, müssen wir unsere Meinung revidieren und sagen: 2019 muss man mit seinem Erbe anders umgehen.
Die Opernaufführung an sich sowie das Opernhaus ist ein Erlebnis: Der Raum und der Klang berührt - so sehr, dass wir die harten Stühle (wichtig für die Akustik), die Enge, die Länge und die schlechte Luft gut ertragen, wenn nicht sogar vergessen. Zumindest immer mal wieder. Es ist wirklich ein Erlebnis. Packen Sie einen Besuch der Festspiele auf Ihre Bucket-List! (Fußnote: Es gab den Parsifal, in einer für unseren Geschmack recht einfältigen und klischeehaften Inszenierung. Auch hier: #2019.)
WEITERE SEHENSWÜRDIGKEITEN:
Aufgrund unseres extrem kurzen Aufenthalts haben wir uns auch touristisch auf Wagner eingeschossen. Nicht aber ohne vorher das Märkgräfliche Opernhaus zu besuchen, das praktischerweise neben unserem Hotel lag. Das älteste erhaltene Barocktheater der Welt ist eine bombastische Augenweide und seit 2018 Unesco-Welterbe. Thematisch gut aufbereitet ist es ein Must-See! Und auch hier darf sich jeder die Frage stellen, warum es den meisten so viel einfacher fällt, auf Schlössertour durch Italien zu fahren als ein Wochenende in Bayreuth zu verbringen? Warum ist das eine cooler als das andere?
Nach unserem hollywoodesken Start in den Tag im Barocktheater, nehmen wir uns die Wagner-Trilogie aus Museum, seinem Wohnhaus 'Haus Wahnfried' sowie dessen Anbau 'Haus Siegfried' vor. Wir tauchen ein in eine Welt die Deutschland, das Bild von Deutschland sowie die internationale Kultur mehr geprägt hat, als wir wussten. In diesem kleinen bayerischen Ort wurde sehr viel, auch sehr ungute, Geschichte geschrieben. Und wieder: Fahren Sie hin! Es ist unsere Realität und Zusammenhänge zu verstehen, ist immer essentiell. Architektonisch ist das Ensemble übrigens auch spannend, denn vom Klassizismus bis hin zur Moderne ist alles vertreten.
Wir hatten nach dem Besuch des Museums gerade noch Zeit für einen kleinen Spaziergang im Garten des Neuen Schloss, bevor wir die lange Heimreise nach Berlin antreten mußten. Wenn Sie länger in Bayreuth sind, entdecken Sie doch noch besagtes Schloss oder die Eremitage. Die barocke Parkanlage gilt als eine der schönsten der Welt.
Noch eine kleine Anmerkung: Wir hatten leider zu wenig Zeit, uns auch kulinarisch auf Entdeckungsreise zu begeben und können Ihnen deswegen keine expliziten Empfehlungen geben. Wir haben in zwei Häusern in der Altstadt gegessen – Gaststätte Wolffenzacher und Oskar. Beides war handfest, gute Küche, aber keine Sensation für den Gaumen.
Hotel Goldener Anker
Opernstraße 6
95444 Bayreuth
TELEFON: +49 (0)9 21 -78 77 74 - 0
EMAIL: info@anker-bayreuth.de
Markgräfliches Opernhaus
Opernstraße 14
95444 Bayreuth
Telefon: +49 (0)9 21-75 96 9-22
Richard Wagner Museum
Richard-Wagner-Str. 48
95444 Bayreuth
Telefon: +49 (0)9 21 - 75 72 8 - 16